Christian Stoll & Ceylan Türkyilmaz 2023
Binnendifferenzierung
Menschen sind nicht gleich. Jeder Mensch ist unterschiedlich. Menschen unterscheiden sich durch ihr Aussehen, ihre Größe, ihre Haarfarbe, ihre Interessen, ihre Herkunft usw.. Man spricht hierbei von Diversität.
Das Modell Four Layers of Diversity (Siehe Abbildung 1) (Gardenswartz; Rowe, 2021) stellt die Diversität von Menschen auf vier Ebenen dar. Im Zentrum steht die Persönlichkeit des Menschen und umfasst alle Aspekte und Charaktereigenschaften einer Person. Der zweite Kreis umfasst alle relativ unveränderbaren Eigenschaften (bspw. Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung), welche auch in Gleichbehandlungsgesetzen genannt bzw. berücksichtigt werden. Der dritte Kreis zählt Gegebenheiten und Eigenschaften auf, welche durchaus veränderbar sind, dazu zählen bspw. Wohnort, Einkommen, Ausbildung oder auch Religion und Weltanschauung. Der äußerste Kreis bezieht sich auf die Zugehörigkeit einer Person zu einer Institution oder Organisation und bezieht sich bei dieser Abbildung auf den universitären Kontext (Universität Wien, 2021).
Dieses Modell veranschaulicht, wie vielschichtig eine Person sein kann und verdeutlicht welche Eigenschaften und äußeren Gegebenheiten sich auf die Persönlichkeit und die Identität einer Person auswirken können. Es gibt natürlich noch viel mehr Aspekte, in denen sich Menschen unterscheiden, zum Beispiel auf welche Art und Weise sich eine Person neues Wissen aneignet oder auch übt, d.h. die bevorzugte Art und Weise zu lernen kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein.
Dies ist unter anderem auch davon abhängig, mit welchen Fähigkeiten und Fertigkeiten und welchem Vorwissen eine Person an eine Schule oder Hochschule kommt. Als Lehrerinnen und Lehrer müssen wir also davon ausgehen, dass die Lerngruppen egal in welcher Schulform oder Bildungsgang wir uns befinden, sehr sehr unterschiedlich also heterogen sind. Um der Heterogenität von Lerngruppen gerecht zu werden, eignen sich unterschiedliche Maßnahmen und Methoden, die binnendifferenziertes Lernen fördern.
Es lässt sich grundlegend zwischen zwei Formen von Differenzierung unterscheiden. Die äußere Differenzierung bezieht sich auf die dauerhafte Einteilung von Lerngruppen nach bestimmten Kriterien, um innerhalb dieser Gruppen größtmögliche Homogenität zu erreichen. Diese Einteilung kann entlang bestimmter Bildungsziele geschehen (bspw. Fachrichtungen oder Berufsgänge), kann aber auch das Alter berücksichtigen (Klassenstufen in der allgemeinen Bildung) oder nach Stand der Fähigkeiten und Fertigkeiten (bspw. Gürtelfarben im Kampfsport) erfolgen. Auch die Zuweisung in bestimmte Schulformen wie Förderschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium ist eine Form von äußerer Differenzierung. Gerade diese Differenzierung hat sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen als ungünstig herausgestellt. Daher wird aktuell versucht Lehr-Lernprozesse vor dem Hintergrund der inneren Differenzierung bzw. Binnendifferenzierung auszugestalten. Binnendifferenzierter Unterricht ermöglicht damit einen an die Persönlichkeit der Lernenden angepassten, individualisierten Lernprozess (QUA-LiS NRW, 2022).
Es bietet sich an, didaktisch zu differenzieren. Hierbei gibt es, je nach Wissen und Fähigkeiten der Lernenden unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben, Materialien oder Medien. Des Weiteren kann bei Gruppenarbeiten darauf geachtet werden, dass die Zusammensetzung der Gruppenmitglieder ausgewogen ist, sodass sich die Schülerinnen und Schüler innerhalb der Gruppe bei Problemen unterstützen können. Auch den Schülerinnen und Schülern Wahlmöglichkeiten zu geben, also sie selbst entscheiden zu lassen, mit welchen Themen/Inhalten sie sich auseinandersetzen möchten oder welche Methoden zum Einsatz kommen sollen, ist im Sinne der Binnendifferenzierung (Birri, T., 2013).
Hauptziel bei all diesen Maßnahmen und Methoden ist es, einen offenen Unterricht zu gestalten, in denen die Schülerinnen und Schüler aktiv an ihrer eigenen Entwicklung arbeiten können. Hierfür eignen sich zunächst kooperative Lernmethoden, d.h. die Schülerinnen und Schüler arbeiten gemeinsam in Gruppen, um zusammen Probleme bzw. und Aufgabenstellungen zu bewältigen und selbstgesteuertes Lernen, d.h. Schülerinnen und Schüler lernen, wie sie sich selbst am effektivsten neue Inhalte und Fähigkeiten aneignen (Budde, J., 2018).
Binnendifferenzierter Unterricht stellt damit die Grundlage dar, für die schulische Inklusion in Bildungsinstitutionen der allgemeinen und der beruflichen Bildung. Inklusion setzt dabei noch mehr den Fokus auf Menschen mit Behinderungen bzw. auf Schülerinnen und Schüler mit bestimmten Förderbedarfen. Auch hier ist der Grundgedanke, dass alle Menschen das Recht und die Möglichkeit haben, innerhalb des Regelschulbetriebes, zu lernen und sich zu entwickeln (innere Differenzierung) und nicht in bestimmten Klassen- oder Schulformen separiert zu werden (äußere Differnzierung) (Schöb, A., 2013).