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grundlagen_der_handlungsorientierung

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In vielen Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten ist eine gängige Herangehensweise, Theorie und Praxis zum selben Thema in unterschiedliche Lehrveranstaltungen aufzuteilen. Das Ziel der Handlungsorientierung (ganz im Sinne Pestalozzis) ist die Überwindung dieser Trennung hin zum Lernen durch Handeln [Herkner & Pahl 2018: 2].

upload.wikimedia.org_wikipedia_commons_thumb_e_ef_john_dewey_cph.3a51565.jpg_176px-john_dewey_cph.3a51565.jpgAbb. ##: John Dewey

Eine der ersten bedeutenden Konzepte der Handlungsorientierung kommt von John Dewey. Bei Dewey (1933) ist Handeln stark verknüpft mit der Reflexion und dem Lösen von Problemen die aus der normalen Handlungsroutine rausfallen [Abels 2011: 49]. Er spricht auch von Reflective Activity. Der Prozess um ein Problem zu lösen, besteht aus der Annäherung an das Problem, aus der Einbettung in einen Kontext, das Aufstellen von Hypothesen, das Generieren von Lösungen und die Überprüfung dieser Lösungen [Dewy 1933: 106f.]. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, da es nie nur eine richtige Lösung gibt und es wichtig ist, immer offen für neue/andere Möglichkeiten und Veränderungen zu sein [Dewy 1933: 115]. Als Gedanken bzw. Grundideen lässt sich hier ableiten, dass eine Kompetenzentwicklung hauptsächlich aus einer reflexiven, vollständigen Handlung heraus erfolgt, im Zusammenhang mit der Konfrontation mit Problemen die mit „normalen“ bisherigen genutzten Handlungsroutinen nicht gelöst werden können.

Empirische Untersuchungen aus den 1980er Jahren zeigen, dass eigenes Handeln Lernende aus einer passiven Rolle führen und dadurch auch die Motivation gesteigert wird. Weitere Untersuchungen zeigen, dass um so mehr Sinne angesprochen werden, um so besser werden Inhalte verfestigt [Herkner & Pahl 2018: 4].

Laut KMK ist die Zielsetzung bei der Handlungsorientierung „Menschen zu selbstständigen Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben“ zu befähigen [KMK 2018: 32].

Die KMK (2007: 13) definiert handlungsorientierten Unterricht als
„ein didaktisches Konzept, das fach- und handlungssystematische Strukturen miteinander verschränkt. Es lässt sich durch unterschiedliche Unterrichtsmethoden verwirklichen“.

Grundsätzlich sollte sich der Lern- und Arbeitsprozess am Kreislauf einer vollständigen Handlung ausrichten: Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren, Bewerten/Reflektieren (Kreis der vollständigen Handlung) [in Anlehnung an Herkner & Pahl 2018: 4].

Abbildung 1: Kreis der vollständigen Handlung

Die KMK nennt folgende Orientierungspunkte für die Planung handlungsorientierten Unterrichts [KMK 2018: 17]:

Didaktische Bezugspunkte sind Situationen, die für den Alltag und die Zukunft der Lernenden bedeutsam sind. Lernen vollzieht sich in vollständigen Handlungen, möglichst selbst ausgeführt oder zumindest gedanklich nachvollzogen. Handlungen fördern das ganzheitliche Erfassen der Wirklichkeit in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt (zum Beispiel ökonomische, ökologische, rechtliche, technische, sicherheitstechnische, berufs-, fach- und fremdsprachliche, soziale und ethische Aspekte). Handlungen greifen die Erfahrungen der Lernenden auf und reflektieren sie in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. Handlungen berücksichtigen auch soziale Prozesse, zum Beispiel die Interessenerklärung oder die Konfliktbewältigung, sowie unterschiedliche Perspektiven der Berufs- und Lebensplanung.

Im Mittelpunkt der Handlungsorientierung steht ein Handlungsprodukt. Handlungsprodukte sind Produkte die von den Lernenden selbstständig hergestellt werden und einen Fachbezug bzw. Berufsbezug aufweisen bzw. charakteristisch für das jeweilige Fach oder den Berufszweig sind. Handlungsprodukte können bspw. allgemein Werkstücke, Medienprodukte (Audio, Video, Dokumente), aber auch die Planung eines Werkstückes/Medienproduktes, die Dokumentation der Erstellung eines Werkstückes/Medienproduktes, eine Präsentation (bspw. eines Arbeitsergebnisses oder eines Werkstückes/Medienproduktes), ein Portfolio bzw. ein Lerntagebuch sein.

Handlungsprodukte können in diesem Zusammenhang aber auch als Lösung für ein Problem verstanden werden. Die relevante Frage, die ich mir also bei der Planung einer Lehrveranstaltung stellen muss, ist: Was sind typische, domänenspezifische Handlungsprodukte die von Lernenden innerhalb einer Lehrveranstaltung erstellt werden können.

Es ist natürlich möglich, dass ein Handlungsprodukt aus vielen einzelnen Teilprodukten besteht. Die einzelnen Teilprodukte können dann auch in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen, Fächern oder Lernfeldern erstellt werden und dann zum Ende eines bestimmten Zeitraumes zusammengefügt werden. Es ist ebenfalls möglich einzelne Teilgruppen einzelne Teilprodukte erstellen zu lassen, welche am Ende zu einem Handlungsprodukt zusammengefügt werden.

Zum Abschluss bietet es sich an, dass die Lernenden sich gegenseitig ihre Handlungsprodukte präsentierten, sich gegenseitig Feedback geben und zunächst gemeinsam mündlich den Erstellungsprozess reflektieren.

Als Abschluss für das Projekt eignet sich die Dokumentation innerhalb eines Portfolios. Ein Portfolio besteht in diesem Zusammenhang aus folgenden Teilen: der Darstellung des Handlungsproduktes bzw. der einzelnen Handlungsprodukte, der Dokumentation des Erstellungsprozesses und der Reflexion des Erstellungsprozesses. Da Lernende häufig noch keine Erfahrungen mit schriftlichen Reflexionen gemacht haben, bietet es sich an, den Lernenden Reflexionsfragen zur Hand gegeben werden (weiteres zur Reflexion siehe unten). Innerhalb des Portfolios kann ebenfalls das gegebene Feedback und die Ergebnisse der gemeinsamen Reflexion dokumentiert und in die schriftliche Reflexion mit eingebunden werden.

Bei der Benotung und Bewertung bietet es sich an, nicht das Handlungsprodukt direkt zu benoten, sondern das Portfolio. Dies bietet einige Vorteile. Zunächst ist die Erstellung einer Projektdokumentation eine gängige Aufgabe die im beruflichen Alltag anfallen kann (sei es in der freien WIrtschaft gegenüber von Kunden oder im wissenschaftlichen Bereich gegenüber von Drittmittelgebern). Von daher ist es naheliegend hier eine bestimmte Routine zu bekommen. Darüber hinaus sind die eigentlichen Handlungsprodukte, insbesondere wenn es möglich ist unterschiedliche Lösungswege zu beschreiten, je nach Vorkenntnissen und auch beruflichen Vorerfahrungen der Lernenden sehr unterschiedlich. Werden an der Stelle die Portfolios bewertet, ergibt sich dadurch wieder eine Vergleichbarkeit bei der Bewertung. Je nach Lerngruppe ergibt sich hier auch die Möglichkeit binnendifferenziert zu bewerten. Außerdem kann hierüber eine positive Fehlerkultur vermittelt werden. Auch wenn das eigentliche Handlungsprodukt am Ende nicht den Vorstellungen entspricht oder auch nicht allen Anforderungen gerecht wird, kann dies innerhalb des Portfolios thematisiert und reflektiert werden, sodass hier trotzdessen eine gute Note vergeben werden kann.

grundlagen_der_handlungsorientierung.1626706416.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/07/19 16:53 von ch.stoll